Willkommen zur Freitagsfrage!
Hier geht es wieder mal um Deine Meinung. Ich gebe eine kurze Einleitung zu einer konkreten Frage. Dann übernimmst Du die Show.
Heute geht es um die Feinheiten eines ETFs.
Diesen Artikel im „Meine-Mäuse Podcast“ hören
Du kannst diesen Artikel auch bequem im Podcast Meine Mäuse – der Finanzpodcast für die Familie hören. Dann erfährst Du auch, wie Eva und ich in ETFs investieren.
Einen Haken hat die Nummer
Finanzglück-Leser Ole steht vor einem Problem.
Nachdem er in der Vergangenheit einige unglückliche Finanzentscheidungen getroffen hatte – teure Bausparverträge, BAV und Riester – hat er sich nun entschlossen seine Finanzen selbst in die Hand zu nehmen.
Bravo! Genau darum geht es mir auf Finanzglück. Themen wie Vermögensaufbau und Altersvorsorge können am besten in Eigenregie angegangen werden.
Und so wie Ole geht es vielen. Neben dem Paket an oben genannten Versicherungsprodukten besitzt er auch noch eine selbst bewohnte Immobilie.
Jetzt möchte er noch einen Schritt weiter gehen und parallel einen Teil des Ersparten in ETFs investieren.
Wenn da nur das leidige Thema Wertpapierleihe nicht wäre.
Wat de buur nich kennt…
Aber der Reihe nach. Wie möchte Ole denn in ETFs investieren?
Meine selbst gesetzten Kriterien für den ETF sind:
1. Ausschüttend: Ich präferiere die Haltedauer “ewig”.
2. Replizierend: Was drauf steht sollte – wenn auch in optimierter Weise – drin sein.
3. Keine Wertpapierleihe: Ich will nichts, was ich nicht vollständig verstehe oder dazu führt, dass mit meinem Investment (für mich) zweifelhafte Geschäfte getätigt werden.
Aber beim Thema Wertpapierleihe wird es schwierig, denn Infos zu dem Thema sind eher dünn. Bei HSBC, SPDR und ComStage wurde er fündig, aber seine weiteren Kriterien schränken die Auswahl dann auch deutlich ein.
Grob denke ich habe ich das Thema verstanden und nach langer Recherche eben meinen Schluss gezogen, nicht in ETF zu investieren, die Wertpapierleihe betreiben.
Aber ist das wirklich so ein großes Ding?
Wie man so schön sagt: “wat de buur nich kennt dat frett he nich”.
Risiko vs. Rendite
Damit hat Ole ein interessantes Thema angesprochen. Die Wertpapierleihe ist weit verbreitet unter den ETF-Anbietern. Dabei verleihen sie zeitweise, im Gegenzug für eine Gebühr, Aktien aus dem ETF-Portfolio an Drittparteien. So kann der ETF-Anbieter zusätzliche Einnahmen generieren, um somit unter anderem die ETF-Kosten weiter zu senken.
Geliehen werden die Aktien unter anderem von Hedgefonds, Investmentbanken oder auch privaten Händlern. Neben der Gebühr müssen auch Sicherheiten gestellt werden. Trotzdem besteht ein Ausfallrisiko, falls der Entleiher in Schieflage gerät und die Sicherheiten sich als wertlos erweisen.
Aber ist dieses Risiko real oder eher zu vernachlässigen? Ist die Wertpapierleihe vielleicht sogar wünschenswert, weil so zusätzliches Einkommen generiert wird, was auch mir zu Gute kommt?
Ich hoffe Du kannst Ole mit Deinem Rat zur Seite stehen.
Solltest Du ETFs mit Wertpapierleihe vermeiden?
Ich freue mich schon auf Deinen Kommentar!
Laut Gerd Kommer ist bisher noch keinem Anleger weltweit ein finanzieller Schaden durch die Praxis der Wertpapierleihe entstanden. Dabei muss man berücksichtigen, dass nicht nur ETFs, die es ja auch bereits seit vielen Jahrzehnten gibt, sondern auch sehr viele aktiv gemanagte Fonds sie betreiben. Alles andere dazu wurde bereits gesagt von meinen Vorrednern.
Ole scheint sich auf einen absoluten Nebenkriegsschauplatz verlegt zu haben, was bei mir den Verdacht nährt, sich über wirklich relevante Zusammenhänge noch nicht klar geworden zu sein – z. B. ist die Entscheidung für einen Ausschütter mit Begründung der ewigen Haltedauer nicht nachvollziehbar. Eine Ausschüttung ist ökonomisch dasselbe wie ein Anteilsverkauf. Sie kann unter Steuer- und Transaktionskostengesichtspunkten sinnvoll sein, aber unter denselben (und weiteren) Gesichtspunkten auch unsinnig.
Moin Ole,
dann möchte ich mich auch noch mal zu dem Thema melden. Ich persönlich habe mit der Wertpapierleihe kein Problem. Es werden ja Sicherheiten gestellt (normalerweise mit einer Überbesicherung) und nur ein kleiner Teil des Portfolios verliehen. Natürlich gibt es Risiken, aber dem gegenüber steht auch ein Ertrag. Je nach Fondsanbieter werden 60% oder mehr des Ertrages an den Kunden weitergegeben. Ich investiere ja größtenteils in Vanguard ETFs. Die schütten sogar (nach Kosten, Broker-Rabatten und Vermittlungsgebühren) 100% der Erträge an die Fonds aus.
VG, nico
Hallo Nico,
im Ergebnis stimme ich Dir zu und habe deswegen ebenfalls ETFs mit Wertpapierleihe.
(Auch wenn mir, wie wahrscheinlich den meisten hier, zunächst etwas schummrig wurde bei dem Gedanken daran. Und auch heute noch missfällt mir, dass ich auf diese Weise Leuten ein Short-Geschäfte ermögliche, das -bei Erfolg- meinen Interessen als Buy&Hold-Investor in Long-Positionen entgegensteht. Auf der anderen Seite wird aus der Sicht von Leuten wie mir auf lange Sicht “lang” immer gewinnen. Und wenn ich so noch ein paar Rendite-Promille dazugewinnen kann und die auch noch von den Short-Spekulanten bezahlt werden müssen, dann passt es doch wieder.)
Ein kleiner Widerspruch von mir zum Thema “(es wird) nur ein kleiner Teil des Portfolios verliehen”: Bei Vanguard mag das stimmen (wenn ich ganz unten auf https://www.wertpapier-forum.de/topic/52831-wertpapierleiheertrag-bei-vanguard-etfs/ richtig interpretiere ist es maximal 15%), bei anderen kann es auch weitaus mehr sein. Im oben von Dummerchen erwähnten Beitrag https://www.finanzkueche.de/wertpapierleihe/ wird als Beispiel genannt:
“Für den ATX UCITS ETF (DR) 1C von db X-Trackers:
(…) durchschnittlich verliehen: 29,80 Prozent des Fondsvermögens
maximal verliehener Anteil: 50,03 Prozent”
Besichert wird in den Beispielen, die ich bisher gefunden habe, immer zu über 100%. Wenn wir optimistisch davon ausgehen, dass “man” aus vorherigen Fehlern gelernt hat und es sich dabei nicht um CDOs auf Subprime-Immobiliendarlehen handelt, sollte der hohe Verleihanteil also trotzdem kein Problem sein.
Sollte. Oder sollte man sich das doch noch mal genauer ansehen?
fragt sich Guido
Hallo Patoffelheld,
wenn von dem db X-Trackers ATX UCITS ETF zeitweise bis zu 50,03 % der Aktien verliehen und stattdessen Sicherheiten (welche?) bestellt werden, handelt es sich dann noch um einen Aktienfonds im Sinne des Investmentsteuergesetzes? Die Teilfreistellung in Höhe von 30 % wird ja nur auf Aktienfonds, also solche mit dauerhaft mindestens 51 % Aktienanteil, gewährt (§§ 2 Abs. 6, 20 Abs. 1 InvStG)?
Ich bitte um Entwarnung 🙂
Beste Grüße
Martin
Hallo Martin,
danke für die spannende Frage.
Ich sag es mal so: Wenn die Fondsgesellschaft den ATX als Aktienfonds im Sinne des Investmentsteuergesetzes auslobt, dann darf ich als Anleger wohl davon ausgehen, dass es auch ein Aktienfonds im Sinne des Investmentsteuergesetzes ist. Bei der ganzen Regulierung. Und überhaupt. Und so. Also unbedingt Entwarnung.
Aber wäre das nicht auch eine spannende Frage ans Xtrackers Team bei DWS?
Viele Grüße
Guido
Ich glaube die Panik in diesen Bereichen ist übertrieben, genauso wie damals bei den oftmals noch anzutreffenden SWAP ETFs. Weder bei letzteren noch bei der Wertpapierleihe wird eine Fondsgesellschaft das “einfach so” tun, sondern lässt sich das entsprechend mit Werten gegensichern. Es ist also nicht so dass iShares 90% seines ETF-Volumens an irgendwelche dubiosen Heinis verleiht und das mitunter verschwindet. Es sind erstens überschaubare Volumina und zum Anderen oftmals mit anderen Assets-gegenversichert.
Hallo!
“Grob denke ich habe ich das Thema verstanden und nach langer Recherche eben meinen Schluss gezogen, nicht in ETF zu investieren, die Wertpapierleihe betreiben.”
Na, dann ist doch im Prinzip alles bereits geklärt. Wer mit einer Wertpapierleihe schlecht schläft, sollte sie vermeiden. Punkt. Da hilft es auch nicht, wenn das Risiko nicht sonderlich hoch ist. Es lässt sich ja nicht 100% wegdiskutieren.
Mir persönlich macht sie keinen größeren Kummer – das ist übrigens auch kein Thema, das sich auf ETFs beschränkt. Aktiv gemanagte Fonds verwenden Wertpapierleihe auch schon seit “Ewigkeiten”. Wichtig ist halt, dass die Leihe ausreichend abgesichert ist. Da hilft nur Vertrauen in eine solide Abschätzung der ETF-Herausgeber. Wer das Vertrauen nicht hat oder nicht aufbringen möchte, sollte die Finger davon lassen.
Einen schönen Artikel zu dem Thema gibt es übrigens auf der Finanzküche (https://www.finanzkueche.de/wertpapierleihe/).
Liebe Grüße
Dummerchen