Du kannst Dir gar nicht vorstellen, wie lecker dieser Apfel ist.
Schon während ich ihn in Scheiben schneide, läuft mir das Wasser im Mund zusammen. Mein Magen und auch mein Kopf, senden mir eine klare Botschaft:
Steck Dir das Teil in den Mund!
Und dann ist es so weit. Meine erste feste Nahrung seit einer Woche gleicht einer Geschmacksexplosion.
Wer hätte gedacht, dass ein Apfel so gut schmecken kann.
Midlife-Crisis mal anders
Ich habe gerade eine Heilfasten-Woche hinter mir. Wobei es doch eher zwei Wochen sind, wenn ich die Entlastungs- und Aufbautage mitzähle.
Warum mache ich den Scheiß?
Ich versuche regelmäßig mal neue Sachen auszuprobieren, um meinen Horizont zu erweitern. Vielleicht bin ich mit meinen 41 Lenzen auch einfach in einem Alter, in dem man so einen Kram macht.
Meine größte Sorge war es, ob ich so eine Aktion in meinen Familien- und Arbeitsalltag integriert bekomme. Denn mit zwei kleinen Kindern habe ich nicht den Luxus, mich für zwei Wochen in eine Fasten-Klinik einzubuchen. Und gerade der Familienalltag war dann auch der herausfordernde Teil.
In diesem Beitrag teile ich mit Dir meine persönlichen Erfahrungen zum Heilfasten, wie die ganze Nummer abläuft und wie Du es im normalen Familienalltag auf die Reihe bekommst.
Und ganz am Ende beantworte ich die Frage, ob ich es noch mal machen würde oder besser sein lasse.
Plauze und Pöter
Ich hatte schon länger mit dem Gedanken einer Fastenwoche gespielt. Unser Osterurlaub hat mir dann den nötigen Impuls zum Start gegeben.
Zehn Tage Völlerei. Zu viel Zucker, Fett und Alkohol haben das Fass zum Überlaufen gebracht. Mein Körper hat mir klar signalisiert: Tritt kürzer und entschlacke.
Und genau darum geht es. Seitdem wir Menschen in Fellhöschen durch die Savanne traben, gab es immer wieder abwechselnde Zeiten von Nahrungsüberschuss und Mangel. In den mageren Zeiten haben wir unsere Fettreserven ab- und in den fetten Jahren wieder aufgebaut. Fasten liegt uns also in unserem innersten Wesen.
Das Problem unserer zivilisierten Welt ist der Mangel an mageren Jahren. Deshalb werden die Plauzen immer runder und die Pöter immer dicker. Diabetes und Fettleber sind Volkskrankheiten.
Dem Fasten werden viele heilende Wirkungen zugeschrieben, was auch an dem Entschlacken und Entgiften unserer Organe, allen voran dem Darm, liegt. Wohl auch deshalb findet sich das Ritual des Fastens in vielen Kulturen wieder.
Mich hat’s überzeugt. Gehen wir es mal an. Aber wie?
Ein klares Protokoll vom Fasten-Guru
Mir wurde das Buchinger Heilfasten empfohlen. Das Büchlein des deutschen Heilfasten-Guru* liegt schon länger bei mir rum. Der gute Dr. med. Andreas Buchinger konzentriert sich aufs Wesentliche. Auf nur 90 Seiten steht alles detailliert aufgedröselt, was ich für meine Heilfasten-Woche wissen muss. Und das funktioniert so:
Tag 1-2 Entlastungstage: Du fährst runter. Kein Koffein, kein Zucker, kein Fett (Nikotin und Alkohol lasse ich direkt außen vor). Dafür gibt es in Maßen Vollkornreis mit gedünstetem Gemüse und anderen Dingen, die keine Spaß machen. Dazu viel Wasser und Kräutertee. Das sind unter 1.000 Kalorien pro Tag.
Tag 3 Darmreinigung: Ein beherztes Wasserglas mit Glaubersalz und off you go!
Tag 4-10 Fastenwoche: Keine feste Nahrung mehr. Täglich ein Glas Gemüsebrühe, ein Glas Obstsaft und einen Löffel Honig. Sonst nur Tee und Wasser. Wir gehen runter auf ca. 400 Kalorien pro Tag.
Tag 11 Fastenbrechen: Mein Apfel-Orgasmus von oben, sonst passiert erst mal nicht viel.
Tag 12-14 Aufbautage: Du fährst langsam Deine Nahrungsaufnahme wieder hoch. Die Kalorienaufnahme steigt langsam von rund 800 Kalorien am ersten Tag auf 1.500 Kalorien am dritten Tag.
So viel zum Ablauf, an den ich mich sklavisch gehalten habe.
Aber wie ist es mir ergangen?
Loch im Bauch
Zunächst mal muss ich noch eine Besonderheit mit in den Ring schmeißen. Der gute Herr Buchinger empfiehlt ausdrücklich sich sportlich zu betätigen. Und das habe ich mir direkt zu Herzen genommen und mein Sportprogramm deutlich angezogen.
Ich habe zunächst meine alte 100-Liegestütz-Challenge wieder ausgegraben und jeden Tag mit Push-Ups begonnen. Dazu kam täglich eine längere Sporteinheit (ca. 1 Stunde), wie Krafttraining, Laufen oder Radfahren. Wenn schon, denn schon.
Aber ging das denn mit Loch im Bauch?
Ja, und wie. Ich war beeindruckt, wie leistungsfähig ich beim Sport war. Generell fühlte ich mich in der Woche körperlich sehr gut. Ich hatte keine müden Phasen am Tag und kam auch lockerer aus dem Bett. Da wurde mir erst mal bewusst, wie viel Energie bei der Verdauung verbraucht wird. Dazu kommt, dass beim Fasten vermehrt das Glückshormon Serotonin ausgeschüttet wird. Ich war also die meiste Zeit high.
Erstaunlich war auch das fehlende Hungergefühl. Seit der Darmreinigung hatte ich einfach keinen Hunger mehr. Darüber hatte ich vorher gelesen, konnte es mir aber nicht vorstellen. Wenn ich im normalen Alltag einen längeren Lauf mache, knurrt mir spätestens eine Stunde später der Magen. Hier nicht.
Schon schräg.
Aber es war auch nicht alles rosig. Der Anfang war kein Zuckerschlecken.
Junkie auf Cold Turkey
Der Entzug am ersten Entlastungstag war eine echt harte Nummer. Da gibt es nichts zu beschönigen.
Ich ging von zehn Tage Völlerei auf komplette Abstinenz. Cold Turkey, wie bei einem Junkie.
Den ersten Entlastungstag hatte ich auf der Rückreise von Bremen nach Hause. Nörgelnde Kinder auf der Rückbank und ein Kopfschmerz vor dem Herrn. Keine gute Mischung.
Aber ab dem zweiten Tag wurde es schon entspannter und spätestens beim ersten Fastentag war die Welt dann in Ordnung. Der Hunger war weg und körperlich fühlte ich mich wie ein Fisch im Wasser. Beim Fasten selbst hat mir nichts gefehlt.
Wäre da nicht…
… die Sippe!
Gemeinsame Mahlzeiten sind ein wichtiges Ritual in unserer Familie. Wir nehmen uns beim Essen Zeit füreinander, quatschen viel und es gilt ein rigides Smartphone-Verbot am Tisch.
Und so saß ich dann die gesamte Fastenzeit hindurch mit meinen Liebsten am Küchentisch und habe ihnen beim Verputzen von Leckereien zugeschaut, während ich diszipliniert mit einem Teelöffel meine 250ml Gemüsebrühe löffelte.
Das drückt aufs Gemüt.
Ich bin und bleibe halt Genussmensch. Und in diesen Momenten wurde mir die Einschränkung meiner Lebensqualität qualvoll bewusst.
Freitagabend ist Movies-Night in der Casa Finanzglück. Mit Pizza und Popcorn lümmeln wir uns auf die ausgezogene Wohnzimmercouch und schauen Disney-Filme. Ohne Essen war es nur der halbe Spaß. Am Freitagabend, meinem vierten Fastentag, habe ich dann auch entschlossen nur sechs Tage zu fasten (statt sieben).
So war ich auch mit den Aufbautagen durch, als mein Sohn eine Woche später seinen siebten Geburtstag feierte. Ich habe meiner Frau auch direkt gesagt:
Der Junge wünscht sich Erdbeerkuchen – egal was er sagt!
Der Spiegel meint es gut mit mir
Beim Heilfasten geht es primär ums Entschlacken. Du verbrennst aber auch ordentlich Fett in der Zeit. Diese Fettverbrennung setzt am dritten oder vierten Tag ein.
Da ich während des Fastens viel Sport getrieben hatte, betrug mein Kaloriendefizit über 2.000 Kalorien pro Tag – in den Entlastungs- und Aufbautagen etwas weniger. Ein Kilo Fett hat 7.000 Kalorien. Ich habe also rund vier Kilo an Fett verbrutzelt. Das haben mir die Waage und der Spiegel auch so bestätigt.
Und das spüre ich auch. Ich bin viel drahtiger als zu Beginn der Fastenzeit.
Jetzt setzt der Jo-Jo-Effekt ein. Der Körper bekommt wieder seine Kalorien und setzt alles daran, die Fettvorräte wieder aufzufüllen. Wenn es Dir um das Abnehmen geht, dann ist die Phase nach dem Fasten entscheidend. Jetzt gilt es neue Essensgewohnheiten umzusetzen.
Da Du einen kompletten Neustart durchgezogen hast, kannst Du jetzt die Spielregeln Deiner Ernährung neu definieren. Wieviel Kaffee möchtest Du trinken, wieviel Zucker konsumieren, wieviel Alkohol gönnst Du Dir.
Die nachhaltige Umstellung Deiner Essensgewohnheiten ist der schwierige Teil. Nicht das Fasten.
Fazit
Das Heilfasten war eine beeindruckende Erfahrung. Ich bin froh, es mal ausprobiert zu haben.
Meine Größte Sorge war es, solch eine einschränkende Aktion im ganz normalen Familien- und Arbeitsalltag durchzuziehen. Ich habe schlichtweg nicht die Zeit, mir eine Auszeit zum Fasten zu nehmen.
Im Nachhinein war das Fasten im Alltag aber eher hilfreich als hindernd. Ich habe mein Leben ohne Einschränkung weitergeführt, ohne mich zu sehr auf das Fasten an sich zu konzentrieren. Das lief eher nebenher mit.
Vielleicht möchtest Du es auch mal probieren. Einen Versuch ist es wert. Es hilft Dir, eine detaillierte Anleitung zu haben, an die Du Dich strikt halten kannst. Idealerweise schnackst Du das ganze vorher noch mal mit Deinem Hausarzt durch (den Teil hatte ich mir allerdings gespart).
Ich habe mir fest vorgenommen, im nächsten Frühling wieder eine Woche zu fasten.
Und auf den Apfel zum Fastenbrechen freue ich mich jetzt schon!
Hast Du schon mal gefastet? Wie waren Deine Erfahrungen? Würdest Du es mal versuchen wollen? Ich bin schon gespannt auf Deinen Kommentar!
Super sympathischer Artikel. Ich schleiche noch um das Thema Fasten herum wie die Katze um den heißen Brei. Vor allem die Kombi mit dem Familienalltag stelle ich mir übel vor. Erstaunlich finde ich, dass das mit dem Sport so gut geklappt hat. Meine Grundkondition ist zwar grottenschlecht, aber ich könnte mir vorstellen, dass einem der Sport auch dabei hilft, sich abzulenken.
Hi Nico,
lustig, meine Frau und ich hatten letzte Woche auch das Heilfasten nach Buchinger ausprobiert, allerdings nur 5 + je 2 Entlastungs- und Aufbautage. Respekt, dass du das im normalen Familien-Alltag geschafft hast!
Die Beweggründe waren bei uns ähnlich: Es ging primär um die Challenge und ich wollte wissen, ob man wirklich so ein Euphorie-Gefühl entwickelt und produktiver wird. Bei uns war es eher neutral. Wir hatten weder Fastenkrisen, noch ein Hochgefühl. Das hängt aber wahrscheinlich stark von den Reserven ab, die man vorher aufgebaut hat. Wir achten im Alltag sehr auf gesunde und bewusste Ernährung und ich bin wahrscheinlich häufig im Kaloriendefizit. So konnte ich auch am 5. Tag merken, dass die Akkus langsam leer wurden.
Also ein nächstes Mal gibt’s für mich nur, wenn der BMI deutlich höher ist 😉
Beste Grüße
Malte
Hi Malte,
na dann passt es zeitlich ja gut! Reserven hatte ich in den Wochen vorher ordentlich aufgebaut 🙂 Aber es ist schon erstaunlich, wie viel man leisten kann, ohne zu Essen. Beim Sport konnte ich Vollgas geben und habe zumindest zu Beginn des Workouts keinen Unterschied gespürt. Nach einer halben Stunde oder so wurde es dann schwieriger, die Ausdauer fehlte schließlich.
Die Frage ist ja: Wiederholt ihr es noch mal oder war es das?
VG, nico
Hi Nico,
an High-Intensity-Training habe ich mich in der Zeit nicht herangetraut bzw. solche Phasen bei meinem (remote) Karate-Training übersprungen. Joggen ging gut, aber ich kam mir dabei einfach langsam vor und ich hatte kein Lust, Sprint-Intervalle einzubauen, wie ich das sonst mache. Ich war dann letztlich froh, als der 2. Aufbautag vorüber war und man richtig spüren konnte, wie die Energie wieder aus der Verdauung kam.
Interessieren würde mich echt, ob man sich ne Wampe schnell weg-fasten könnte, indem man ne längere Heilfasten-Phase mit Ausdauer-Training kombiniert. Aber dazu muss ich erstmal an der Wampe arbeiten 😉 Und bis dahin war es das erstmal für mich.
Malte
Super geschriebener und informativer Artikel :-). In diesen Blog werde ich mich noch richtig einlesen