Mein ganz persönlicher Heureka-Moment

Heureka Moment

Es schrieb das Jahr 2013. Genau genommen war es der 3. Juni 2013. Ein Montag. Ich saß abends in meinem Apartment in London und langweilte mich. Am nächsten Tag stand eine längere Dienstreise an und ich suchte nach einer Möglichkeit, mich vor dem Packen zu drücken.

Die Optionen waren entweder die gefühlt sechste Wiederholung von „How I met your mother“ auf Channel 4 zu schauen oder aber ziellos durchs Internet zu surfen. Beides klang nicht gerade berauschend. Ich entschied mich für das Internet.

Welcome to the World of MMM

Auf Spiegel Online blieb ich dann schließlich hängen. Der Artikel hieß: „US-Finanzblogger Mr. Money Mustache: Mit 30 in Rente und glücklich werden“. Darunter ein Bild von einem nicht ganz unsympathischen jungen Mann mit Koteletten und Goatee, samt Frau und Sohn. Scheint ja eine nette Truppe zu sein, diese Oberlippenbart-Familie. Sehen recht entspannt und glücklich aus. Und überhaupt, mit 30 nicht mehr arbeiten müssen? Gibt’s ja gar nicht. Den Artikel lese ich dann doch noch bevor ich mich ans Packen mache.

Die Story klang einfach zu absurd. Allein durch sparsames Leben und der Investition des Gesparten in Immobilien und Aktien hatten sie es geschafft, nach wenigen Jahren ihre Lebenshaltungskosten komplett durch Miet- und Dividendeneinnahmen zu decken. Frührente mit 30 Jahren.

Das geht aber nicht bei uns…

Das kann doch gar nicht klappen. Und überhaupt, wir reden hier von der guten alten US of A. Das Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Da ist man morgens noch Tellerwäscher und abends schon Hedge Fund Manager mit siebenstelligem Gehalt. Vor dem Schlafengehen kann man dort zum Runterkommen entspannt mit dem Sturmgewehr noch ein paar alte Kühlschränke niedermähen. Was dort möglich ist, geht in unseren Landen noch lange nicht.

Trotzdem wollte ich dem netten Pete doch noch eine Chance geben und habe mir mal seinen Blog angeschaut. Es war dieser eine Klick der solch weitreichende Folgen haben sollte und mein Leben eine neue Richtung gab. Es war um mich geschehen.

Eine ganz neue Welt tut sich auf

Ich habe die nächsten beiden Wochen damit verbracht, mir jeden einzelnen der damals schon über 300 Blogartikel, samt Kommentare, durchzulesen. Es war einfach zu unwirklich. Sollte es tatsächlich möglich sein, schon weit vor dem Rentenalter in „Rente“ gehen zu können? Das gesamte Konzept der finanziellen Freiheit war neu für mich.

Vieles von dem, was in dem Blog gepredigt wurde, hatte ich eh schon so oder so ähnlich verinnerlicht. Ich machte mir nicht besonders viel aus Konsum oder generell Statussymbolen. Ich bevorzugte immer schon mein Fahrrad gegenüber einem Auto und hatte daher bis zu dem Zeitpunkt noch nie eins besessen. Wofür ich gerne (und ziemlich viel) Geld ausgab waren Erfahrungen – Urlaube, Restaurantbesuche, Pub, Kino, …

Meine Einstellung war daher größtenteils schon in Ordnung. Trotzdem blieb immer noch das Problem, dass ich auf der anderen Seite vom Teich lebe und hier der Hase halt anders läuft. Besteuerung, Gehälter, Sozialabgaben, Lebenshaltungskosten. Was in den USA klappt, muss hier noch lange nicht hinhauen.

Im nächsten Schritt hatte ich mich dann hingesetzt und mehrere Tage lang ein Excel-Model gebaut, in dem ich meine persönliche Cash-Flows modellierte. Ich wusste zu diesem Zeitpunkt schon, dass es zurück nach Deutschland gehen würde und auch grob unter welchen (Gehalts-) Konditionen. In das Model flossen all die wichtigen Annahmen ein. Lebenshaltungskosten, Gehalt, Steuern, Abgaben, erwartete Dividendenrenditen und Kurssteigerungen, usw. Dazu noch einige Grundannahmen zu den beiden Eigentumswohnungen, die ich mir einige Jahre zuvor (relativ günstig) gekauft hatte. Das wurde dann alles schön in die Zukunft projiziert.

Und dann kam mein ganz persönlicher Heureka-Moment

 Holy Shit! Das kann ja wirklich klappen!

Wenn sich alles wie erwartet entwickelt, dann sollte es mit der finanziellen Freiheit klappen, wenn ich 45 oder 50 Jahre alt bin. Wahnsinn.

Hatte ich mich irgendwo verrechnet? Waren die Annahmen zu rosig? Ich habe alles noch mal rauf und runter kalkuliert und durchdacht, das Modell hier und da angepasst. Das Ergebnis hatte sich nicht verändert. Im Gegenteil. Die Tendenz ging nun eher noch Richtung Mitte 40 statt Ende.

Eine ganz neue Welt tut sich auf

Solch eine Erkenntnis verändert komplett die Sicht auf die Dinge. Ich habe mir nach 25 Jahren Pause wieder einen Bibliotheksausweis besorgt und angefangen Sachbücher rauf und runter zu lesen. Mihaljevic*, Kostolany*, Kyosaki* und Kommer*. Aber auch Taleb*, Ferriss*, Lewis*, Covey*, Moyo*, Langenscheidt* und Ware*. Bücher zu den Themen Kapitalanlage und Finanzen, aber auch Glücksforschung, Psychologie, Statistik oder Soziologie. Alles vor dem Hintergrund, irgendwann die finanzielle Freiheit zu erlangen.

Langsam fügten sich die Puzzleteile ineinander und begannen ein Bild zu formen. Ich begann ein Old-School Haushaltsbuch zu führen. Es dauerte nicht lange, da konnten einige nutzlose Kostenpositionen direkt über Bord geworfen werden. Die Sparquote begann langsam zu steigen und sich bei 50% einzupendeln. Ich begann mir konkrete Ziele zu setzen, aufzuschreiben und regelmäßig zu checken. Ich räumte mein zusammengewürfeltes Aktienportfolio auf und verkaufte alles, was nicht in die vorher definierte Asset Allokation passte. Ich kündigte alle Versicherungen, die ich nicht wirklich brauchte und reduzierte die Raten bei den anderen soweit es ging. Dafür wurde alles freiwerdende Kapital in Indexfonds investiert und mit jedem Kauf die gewünschte Zielallokation wieder hergestellt.

Um es kurz zu fassen, mein Leben wurde durch meinen ganz persönlichen Heureka-Moment ganz schön auf den Kopf gestellt. Mir wurde vieles klarer und ich begann, Dinge bewusster wahrzunehmen.

Dies ist erst der Anfang der Reise

Heute glaube ich zu wissen, was mich glücklicher macht, bzw. was mich nicht glücklicher macht. Ich weiß, wie meine Prioritäten aussehen. Darüber hatte ich mir vor meinem Heureka-Moment kaum Gedanken gemacht.

Ich stehe erst am Anfang meiner Reise. Mir ist bewusst, dass die finanzielle Freiheit nicht das Endziel sein kann, sondern vielmehr ein sehr wichtiger Baustein ist, um ein glückliches und selbstbestimmtes Leben zu führen.

Unglaublich, was in den letzten Jahren alles passiert ist. Ich bin wieder nach Deutschland gezogen, habe eine Familie gegründet, mich beruflich neu positioniert, habe mich nach vielen Jahren der Weltenbummlerei niedergelassen und meinen eigenen Blog ins Leben gerufen. Der Blog hat mir ermöglicht, spannende Leute kennenzulernen, die ähnliche Ziele haben und mich mit offenen Armen in der Finanzblog-Community willkommen heißen.

Und während all diese tollen Dinge in meinem Leben passieren, bewege ich mich schneller als erhofft auf die finanzielle Freiheit zu.

Mein Gott, bin ich froh, mich an diesem Montag damals in London nicht für Channel 4 entschieden zu haben…

Hattest du auch schon Deinen persönlichen Heureka-Moment, der Deinem Leben eine neue Richtung gab? Es würde mich freuen, wenn Du ihn mit mir in den Kommentaren unten teilst.

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9 Kommentare

  1. Auf das Thema “Finanzielle Freiheit” bin ich letzten Sommer durch den amerikanischen Blog “Go Curry Cracker” gestoßen. Dort beschreibt ein Paar, wie es durch einige Jahre höchstdiszipliniertem Sparen in Kombination mit Aktienanlage am Ende 1 Mio. $ zusammen hatte. Nun touren sie gemeinsam mit ihrem kleinen Sohn durch die Welt, völlig ortsungebunden. Das Leben quasi als einzig großer Urlaub. Das hat mich fasziniert. Kurze Zeit später bin ich auch auf MMM gestoßen.
    Finde es toll, dass es auch andere Menschen gibt, die den Konsumwahn nicht mitmachen und statt dessen überlegen, wie sie möglichst schnell aus dieser unheiligen Allianz aus Konsum und täglichem Hamsterrad ausbrechen können.
    Den Fehler, den ich leider noch mache, ist, dass ich mein gesamtes Erspartes auf das Tagesgeldkonto (0,1% Zins) halte und ich mich bei den derzeit wilden Aktienmärkten noch nicht traue, einzusteigen.

  2. Hey,

    mein persönlicher Start war ein Versicherungsmakler. Der wie ich damals noch dachte ja ganz nett meine Finanzen Regeln wollte.

    Klang erstmal echt gut, bis ich dann selber gerechnet habe, netterweise wurden mir auch Excel Tabellen usw zur Verfügung gestellt. War bis dato echt überzeugt davon.

    War nur leider so das die Tabelle bewusst gefälscht wurde. Denn bei – 10% Rendite hatte die Versicherung die Aktien basiert war immer noch 30% Rendite passt nicht.

    Ich habe dann angefangen alles zu überprüfen muss sagen ist nichts über geblieben. Habe alles wiederrufen und mein Schicksal selbst in die Hand genommen. Kümmere mich selbst und habe langsam einen Überblick über die Dinge. Ist aber noch sehr ausbaufähig.

    Gruß

    Dsa363

    1. Hallo Dsa363,

      dann hattest Du wenigstens die Weisheit damit anzufangen, alles selber in die Hand zu nehmen. Ich hatte damals, Anfang der 2000er, diese Weisheit nicht. Ich erinnere mich heute noch an die Antwort vom Bankberater auf meine (kritischen) Fragen zum Abschluss einer privaten Rentenversicherung: „Machen Sie sich keine Sorgen, das gleiche Produkt habe ich auch kürzlich für meinen Neffen abgeschlossen.“

      Ich kann immer noch nicht glauben, dass ich damals nicht direkt aufgestanden und rausgestürmt bin. Den Kram habe ich heute noch an der Backe. Lesson learned 🙂

      VG, nico

  3. Jaja, der MMM.

    Ich habe mir den SPON-Artikel nun schon zum dritten Male durchgelesen. Amüsant finde ich dann immer die Reaktionen auf solche Artikel, er hätte nur Glück gehabt, er lebe auf Kosten anderer und blablabla. Typisches links-deutsch-rechtes Geschwätz.

    Man muss kein sechsstelliges Gehalt von Cisco beziehen. Man kann schon mit geringen Mitteln eine Menge erreichen.

  4. Bei mir war das SpOn-Interview genau der gleiche Moment bzw. Anlass mich mit der MMM-Website und darauf aufbauend dem Konzept der finanziellen Freiheit zu widmen. Im Jahr davor hatte ich nach Lektüre des Buchs von Kahneman („Thinking Fast and Slow“), die Bücher von Taleb verschlungen und mich daraufhin etwas mit den Stoikern befasst. Das waren alles so lose Fäden, die ich zwar unfassbar interessant fand, aber erst durch MMM wurde mir bewusst, wie man diese Konzepte in die Tat umsetzt. Der Boden war bereitet und durch dieses Interview wurde der Samen gepflanzt.
    Ich habe daraufhin in meinem Freundeskreis die Losung ausgegeben „Rente mit 45“, wurde aber eher belächelt als das dies auf wirkliches Interesse gestoßen ist. Aber für dieses Thema gibt es ja Gott sei Dank ein mittlerweile recht breites Spektrum an amerikanischen und deutschen Blogs, sodass man dort viele und gute Diskussionen führen kann.
    Ob ich die Rente tatsächlich mit 45 schaffe weiß ich natürlich noch nicht, aber wie im Artikel bereits beschrieben, hat es auch mir unglaublich bei meiner persönlichen Prioritätensetzung sehr geholfen.
    Vielen Dank fürs Aufschreiben und viel Glück auf deinem Weg!
    Mit der Raute im Herzen 😉
    Marcel

  5. Mir ging es Mitte letzten Jahres (2014) so wie Dir. “Zufällig” entdeckte ich eine Rezension des Buchs “Early Retirement Extreme” und kam über Jacob’s Webseite auf MMM. Eine völlig neue Welt eröffnete sich mir! Ich habe schnell das Potential dieser Idee erkannt.

    Ja, es ist auch in Deutschland möglich. Ich glaube nicht, dass es schwieriger als in Amerika ist.

    1. Jacob von ERE ist schon mit die coolste Sau unter den amerikanischen Finanzbloggern (wobei er glaube ich geborener Däne ist). Der zieht es echt durch und hat seine Ausgaben im Griff. Ist aber nicht für jeden etwas im Trailer zu wohnen und jeden Tag Bohnen zu essen. Das würde ich bei meiner Frau wohl nicht durchkriegen 🙂

      Sein Buch ist wirklich Klasse.

  6. Hallo Finanzglücklicher,
    bei mir war es weniger ein Heureka-Moment, sondern eher ein Kassensturz, der ergeben hat, dass die Banken mit meinem Geld schlechter umgehen, als die Klimaerwärmung mit dem grönländischen Packeis.
    Diese Schmelzrate würden wir nicht lange durchhalten.
    Ich habe deshalb alles gestoppt und das ganze Geld auf einem Tagesgeldkonto versammelt. Dort lag es inflationsgesichert und ich hatte Zeit, mich in Ruhe zu informieren. Die Bücher hast Du ja bereits aufgezählt. Einziger Unterschied: Es gab damals noch keine Finanz-BLogs, nur Börsen-Blogs.
    Aber mit denen konnte ich nichts anfangen. Ich wollte ja investieren und nicht spekulieren.

    Ob der Candlestick der Schmörks-Aktie jetzt das Bolliger-Band bei 187,45 durchbricht oder die 200-Tage-Unterstützungslinie fundamental gesehen einen Ausbruch nicht zuläßt, war mir schon damals egal.

    Aber meine Frau und ich haben das zusammen gut hinbekommen. Das ist ja auch wichtig: Die Partnerin muß mit im Boot sein. Dann hat man auch jemanden, mit dem man diese wirren Theorien des passiven Investierens und der effizienten Märkte diskutieren kann. Die Erkenntnis: “Erfahrung ist nutzlos an den Finanzmärkten” muss man ja erst einmal verstehen und akzeptieren. 😉

    Gruß
    Finanzwesir

    1. Hallo Finanzwesir,

      Die Finanz-Blogs sind wirklich eine große Hilfe. Mir war anfangs gar nicht bewusst, wie viele tolle Blogs es auch in unseren Landen bereits zu diesen Themen gibt. Nachdem meine Entscheidung auf Indexfonds gefallen war, hatte ich erst mal ordentlich auf Deinem Blog rumgeschnüffelt, um die Details noch besser zu verstehen (und mich herzlich zu amüsieren) 🙂

      Es war lustig die Veränderung bei meiner Frau zu beobachten. Am Anfang ging es eher in die Richtung: Ok Schatz, dann mach mal, wenn es Dich glücklich macht. Als dann langsam klar wurde, dass ich es ernst meine, stieg auch bei ihr das Interesse. Die ersten substantiellen Dividendenzahlungen haben Sie dann endgültig über die Linie gebracht. Mittlerweile reden wir regelmäßig über unsere Finanzen, so wie es auch sein sollte.

      VG, Nico

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